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IT-Infrastruktur – wortwörtlich systemrelevant

07.04.2020

IT-Infrastruktur – wortwörtlich systemrelevantDie derzeitige Verlagerung vieler Lebensbereiche ins Digitale ist eine Herausforderung für die IT-Infrastruktur im ganzen Land. Die gute Nachricht: Die Netze sind bislang stabil. Ein Blick auf die Supercomputer zeigt allerdings: Zwar steigt die Spitzenleistung seit Jahren kontinuierlich – im internationalen Vergleich ist sie jedoch schwach. Das führt zu Abhängigkeiten.

Jeden Tag arbeiten mehr Menschen im Homeoffice (Bitkom, 2020), Kommunikationstechnologien wie Skype und Slack sind nachgefragt wie nie (Humpa/Schwimmbeck, 2020), Streaming-Dienste wie Netflix und Youtube drosseln vorsorglich ihre Bildqualität, um die Datennetze zu schonen (Scheuer et al., 2020): In der Corona-Krise sind stabile Netze und leistungsfähige Cloudlösungen wichtiger denn je. Damit wird die IT-Infrastruktur zum Rückgrat des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Sie ist wortwörtlich systemrelevant.

Die allgemeine IT-Infrastruktur in Deutschland hält den Belastungen bislang gut stand. Trotz deutlichen Zuwächsen vermeldet der Frankfurter Internetknoten DE-CIX, es bestünden Kapazitäten für weitere Zunahmen des Datenverkehrs (DE-CIX, 2020).

Als ein weiterer Indikator der IT-Ressourcen des Landes können die Supercomputer in den Rechenzentren herangezogen werden, die als Teil der gesamten IT-Infrastruktur gelten. Diese haben allerdings nicht direkt etwas mit den in der Krise besonders genutzten Diensten wie Videotelefoniediensten zu tun, denn deren Backendsysteme sind nicht Teil der Supercomputer. Die Supercomputer werden vor allem in der Wissenschaft genutzt.

Zwar ist die Spitzenleistung (Rmax) der Supercomputer in den Rechenzentren in Deutschland in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Vergleicht man sie mit den Leistungen der Supercomputer in den USA und China, ist sie jedoch auffallend gering. So war die Leistung der in Deutschland verorteten Supercomputer, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt zu den leistungsfähigsten 500 Supercomputern der Welt zählten, im November 2019 mit insgesamt 66.894 TeraFLOPS (Tera-Gleitkommaoperationen pro Sekunde) zwar 11 Prozent höher als noch im November 2018 (60.503 TFLOPS) und sogar 74 Prozent höher als im November 2017 (38.424 TFLOPS). Aber allein der Supercomputer Summit in den USA brachte es im November 2019 mit 148.600 TeraFLOPS auf die mehr als doppelte Leistung. Der leistungsfähigste Supercomputer in China erreichte das knapp 1,4-Fache der Gesamtspitzenleistung aller Supercomputer in Deutschland. Bei diesen Vergleichen ist zu beachten, dass es jeweils nur die Supercomputer in die Rechnung einbezogen werden, die zu den Top 500 weltweit gehören. Computer, die im November 2019 beispielsweise eine Spitzenleistung von weniger als 1.142 TFLOPS hatten, wurden nicht einbezogen. Allerdings würde auch die Hinzuziehung der verbleibenden Supercomputer das Ergebnis nicht bedeutend verändern.

Die Richtung ist klar: Deutschland hat das „digitale Wettrüsten“ schon vor Jahren verloren. Gerade in dieser Krisenzeit wird die Abhängigkeit von anderen Staaten offenbar und auch dramatischer, denn die Rechtslage wird überall flexibler und damit unberechenbarer.

Schon vor der Corona-Pandemie war in der deutschen Wirtschaft die Sorge gewachsen, vor allem im Bereich der Cloudlösungen - und damit der Auslagerung von Daten und Diensten in auswärtige Rechenzentren – von amerikanischen und chinesischen Internetunternehmen abhängig zu sein (Armbruster et al., 2019). Das angespannte Verhältnis zwischen Europa und dem Trump-regierten USA hat sich nach dem Streit um den Impfstoff auch in Corona-Zeiten eher verschlechtert als entspannt (Tagesschau, 2020). Entsprechende Abhängigkeiten sind daher mit steigenden Risiken verbunden – angefangen beim potenziellen Abfluss von Know-how und wirtschaftlichen Verlusten bei Minderleistungen, endend beim totalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kollaps im Falle einer kompletten Leistungsverweigerung.

Eine Lehre aus der Corona-Krise kann deshalb bereits zum jetzigen Zeitpunkt sein, die enorme Abhängigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft, des gesamten Systems, vom Internet und der damit verbundenen Infrastruktur anzuerkennen. In einem zweiten Schritt müssen Maßnahmen getroffen werden, um mehr technologische Souveränität zu erlangen. Dies muss auch bedeuten, entsprechende Infrastrukturen vor Ort, im Land und in der Europäischen Union, bereitzuhalten, wo die Kontrolle über Datenschutz und IT-Sicherheit höher ist.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.